Mutter zu werden ist keine einfache Sache und ein Prozess, wofür externe Hilfe und Beratung nie ausreichend wären.
Bei meinen zwei Geburten habe ich das Glück in München gehabt, eine Wochenbett Hebamme zu haben. Besonders bei meinem zweiten Kind Sofia habe ich diese Hilfe so gut erlebt dass ich mich entschieden haben, über den Hebamme Beruf in Deutschland zu schreiben und meine Hebamme A. zu interviewen um viele Aspekte über ihre Tätigkeit und alltäglichen Themen zu kennen und euch werdende oder zukünftige Mütter besser darüber zu informieren.
Herzlichen Dank A. für das nette und positive Mitmachen und deine umfassende Unterstützung!!!
Hier beginnt unsere Besprechung…viel Vergnügen beim Lesen!
- Liebe A., könntest du uns erzählen, wann und warum hast du dich entschieden, Hebamme zu werden? Wo hast du studiert? Musstest du dafür umziehen (wie viele gute Hochschule oder Unis gibt es aktuell in Deutschland, um Hebamme zu werden)?
Bereits während der Schulzeit habe ich mich für medizinische Berufe interessiert. Während eines Praktikums in der 11. Klasse durfte ich eine Geburt miterleben. Dieses Wunder der Natur hat mich fasziniert. Da es in Deutschland das Gesetz gibt, dass eine Hebamme ohne Arzt, aber keine Arzt ohne eine Hebamme eine natürliche Geburt leiten darf, habe ich mich für dieses alte Handwerk entschieden und nach meinem Abitur eine Ausbildung ca. 100 km von meinem Geburtsort zu beginnen. Damals gab es rund 50 Hebammenschulen in Deutschland.
- Wie lange dauert das Studium in Deutschland? Welche Studienfächer gibt? Ist ein Praktikum Teil des Studiums? Wenn ja, wann, wie lange und wo wird es normalerweise stattfinden? Hättest du nette-lustige Erinnerungen über diese Zeit uns zu erzählen?
Derzeit stellt sich die Ausbildung zur Hebamme um. Es war lange Zeit ein Ausbildungsberuf. Diese Ausbildung hat drei Jahre gedauert und man hatte sowohl einen schulischen, als auch praktischen Anteil gebunden an ein Krankenhaus mit Praktika auch bei Hausgeburtshebammen o.ä..
Gerade wird die Ausbildung in Deutschland zu einem Studiengang. Eine sehr spannende Entwicklung, die aber noch nicht abgeschlossen ist. Weiterhin wird es regelmäßige praktische Einsätze auch während des Studiums geben. Sehr wichtig, da gerade praktischen Fähigkeiten viel Übung verlangen. Die akademische Ausbildung ermöglicht Hebammen mehr Einfluss zu nehmen, wenn es um wissenschaftliches Arbeiten geht. Hebammen nehmen sich oft ganz anderen Themen an als Mediziner. Es wird spannende Erkenntnisse geben. Die Arbeit zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen ist aber immer im Team und ergänzt sich sehr gut. Ich persönlich finde es bereichernd, berufsübergreifend miteinander zu arbeiten und sehe uns nicht in Konkurrenz.
Meine Ausbildungszeit war eine fröhliche und intensive Zeit, in der man frisch von der Schule, gerade von Zuhause ausgezogen, eine Menge gelernt hat- ein immenses Wissen und gleichzeitig viel Respekt vor dem Wunder der Natur. In der Geburtshilfe lernt man nie aus. Man muss immer auf alles gefasst sein und kann überrascht werde. Deshalb sollte man nie den Respekt davor verlieren. Aber vor allem die Faszination und der Glaube an das, was der Körper, die Frau und die Natur leisten und erreichen können, verliert sich nie.
Das erste Kind, bei dessen Geburt ich als Hebammenschülerin dabei war hieß übersetzt: Seele des Friedens. Das werde ich nicht vergessen.
- Was passiert mit dem Studium Abschluss? Welcher Berufsperspektive stellen sie sich einer Hebamme vor (Angestellte oder Selbstständig? In welchen Kontexten und mit welchen Bedingungen und Karriere Chancen?) Ist aktuell die Weiterbildung erforderlich oder pflichtig? Habt ihr eine Art Kammer das das fördert oder muss sich jener selbst organisieren?
Nach dem Abschluss kann man als Hebamme frei wählen, wie man arbeiten möchte. Angestellt, freiberuflich, mit oder ohne Geburtshilfe. Alles steht einem offen. Diese Flexibilität schätze ich sehr. Organisiert sind wir über den Deutschen Hebammenverband, der für uns auch alles Rechtliche und die Versicherung etc. regelt. Fortbildungen sind regelmäßig verpflichtend im Bereich Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
Da die Schulmedizin häufig in Schwangerschaft- und Stillzeit an ihre Grenzen stößt, orientieren sich die meisten Hebammen noch in Richtung alternativer Heilmethoden. Homöopathie, TCM, Massagen, Osteopathie etc. – da sind keine Grenzen gesetzt, so dass sich jede nach ihren Interessen fortbilden bzw. weiterbilden kann (aber nicht muss). Durch das Studium werden sicherlich auch neue Arbeitsfelder im Bereich der Wissenschaft und Lehre hinzukommen. Dennoch ist eine Karriere im klassischen Sinn eher nicht möglich. Aber indem man seine Interessen und viele Weiterbildungen mit unserem Beruf verbinden kann, kann man sich breit aufstellen und auch immer mal wieder neu erfinden. Das gleiche gilt für den Arbeitsplatz, ob frei, in einer Praxis, im Krankenhaus, Geburtshaus, als Hausgeburtshebamme etc. Da ist vieles möglich- auch kombiniert.
- A., du hast mich vor und nach dem Geburt von Sofia betreut. Könntest du uns besser erzählen, wie dieses System funktioniert und ob alle werdenden Mütter in Deutschland dafür Anspruch hätten (staatlich, privat versichert, arbeitslos und Asyl Bewerberinnen)? Wann würde dieses System eingeführt und warum hast du dich um diese Option beruflich entschieden? Hat diese Situation für dich aktuell mehr Vorteile und oder Nachteile? Könnte etwas aus deiner Sicht ausgebessert werden?
Jeder Frau steht Hebammenhilfe zu- egal wie versichert o.ä. Dies beginnt mit der Feststellung der Schwangerschaft und endet meist nach der Stillzeit. Auch zum Thema Kinderwunsch kann eine Hebamme beraten. Oft gibt sie auch Kurse weit über den Rückbildungskurs hinaus (Kleinkindkurse, Sportkurse für die Frau etc.). Die Betreuung kann in der gesamten Zeit ausschließlich durch eine Hebamme stattfinden, aber auch in Kooperation mit dem Frauenarzt/ärztin.
All das ist über die Hebammengebührenordung zwischen dem Hebammenverband und den gesetzlichen Kassen geregelt. Daran orientieren sich auch die privaten Versicherungen. So werden bis auf wenige Ausnahmen nahezu alle Leistungen von der Kasse bezahlt. Klassische Leistungen sind in der Schwangerschaft das Vorgespräch, die Vorsorge und Beratung/ Hilfe bei Beschwerden, im Wochenbett Besuche bis zu 12 Wochen nach der Entbindung und darüber hinaus bei Still- und Ernährungschwierigkeiten, Kurse: Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse.
Eine wichtiger und oft nicht bekannter Punkt ist, dass Frauen, die ihre Kind verlieren, egal in welcher Schwangerschaftswoche, Anspruch auf Hebammenhilfe haben. Ich persönlich finde es extrem wichtig, dass das Wissen darum weitergetragen wird, denn gerade in diesen so dunklen und traurigen Zeiten, kann die Unterstützung einer Hebamme (auch bis zu 12 Wochen danach möglich) etwas sehr wichtiges und stützendes sein.
Ich persönlich arbeite in dem Bereich, weil ich den engen und persönlichen Kontakt zu meinen Klientinnen sehr schätze. Oft entsteht ein tiefes Vertrauensverhältnis, eine individuell auf die Frau und ihre Familie zugeschnittene Betreuung wird möglich, da man sich gut kennt. Dadurch ist es eine sehr schöne und erfüllende Arbeit. Wenn meine Kinder etwas größer sind, würde ich gerne die Geburtshilfe wieder mit integrieren. Derzeit halten mich der Schichtdienst und Rufbereitschaften davon ab, da sie sich schwer mit dem Familienleben vereinbaren lassen.
Eine bessere , unserer Verantwortung angemessenere Bezahlung würden wir uns wie andere Pflegeberufe sehr wünschen. (Sicherlich auch ein Grund für den Hebammenmangel, da der Beruf finanziell nicht attraktiv ist.)
- Arbeitsumgebung: Ist die Konkurrenz unten Hebammen hoch? Arbeiten die deutsche Hebamme gerne zusammen oder gibt es viele Konkurrenz? Welche ist dein Gefühl über dieses Thema, hat sich die Situation wegen Corona etwas verändert?
Die Zusammenarbeit zwischen Hebammen funktioniert in der Regel sehr gut. Da der Hebammenmangel in Deutschland sehr groß ist, stehen wir nicht in Konkurrenz miteinander. Egal ob angestellt oder freiberuflich, es gibt mehr Stellen und Kapazitäten als Hebammen. Corona hat dies eher noch verstärkt, da noch weniger Kolleginnen unter den Umständen arbeiten als zuvor. Sonst ergänzen wir uns oft in unseren Weiterbildungen ganz gut, so dass wir uns untereinander weiterempfehlen.
- Marktsituation: ich habe immer gehört dass Deutschland auch an Hebammen mangelt. War es immer so? Werden aktuell politische Maßnahmen zur Situation Ausbesserung gefördert? Wenn ja, welche? Denkst du dass der Ruf nach ausländische Arbeitskräfte voll in Kraft ist oder dass mehr dazu gemacht werden kann?
Ich hoffe, dass die Möglichkeit zu studieren und damit eine noch breitere Qualifikation zu haben, mehr junge Frauen und Männer anlockt, diesen Beruf zu ergreifen. Hoffentlich wird es sich auch auf die Vergütung positiv auswirken. Politisch werden wir kaum bis wenig gehört und haben keine Lobby. Ausländische Hebammen müssen eine Anerkennung durchlaufen, bevor sie hier in allen Bereichen tätig sein dürfen. Das ist oft nicht einfach und viele arbeiten dadurch nicht in der Geburtshilfe.
- Hebamme in Covid Zeit: kannst du uns erzählen wie die tägliche Arbeit sich verändert hat und welche Neuigkeiten eingeführt wurden? Ist die Arbeit etwas schwerer geworden? Wenn ja, warum? Kannst du uns Beispiele bringen?
Natürliche sind die Hygienevorschriften noch enger als zuvor. Wie in allen Bereich haben sich die Empfehlungen, die uns gegeben wurden, auch immer wieder verändert und angepasst, so dass man seine Arbeitsweise, -ausrüstung und Hygieneplan oftmals sehr kurzfristig anpassen musste. Das hat stets viel Flexibilität und Erfindungsgabe gefordert. Die Beratung per Telefon oder Videotelefonate, Onlinekurse sind als Möglichkeiten, die Frauen zu betreuen dazugekommen. Das ist gut, kann aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, nur ergänzen.
- Das Beste deiner Arbeit: hättest du uns eine oder zwei schöne Erlebnisse uns zu erzählen, das werdende oder aktuell ausgelastete Mütter gut motivieren können? Z.B. Patientinnen die du bei dem Geburt oder Wochenbett Betreuung stark unterstützt hast.
Zu meinem derzeitigen Schwerpunkt, der Wochenbettbetreuung:
Das größte Abenteuer nach der Geburt, vor allem des ersten Kindes, ist es, Eltern zu werden. Nicht die Windeln zu wechseln, sein Kind richtig zu halten, zu Stillen- alles eine große Aufgabe ohne Zweifel, aber das Eltern werden ist das größte von allen. Ich gehe mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause, wenn ich Tag für Tag mehr spüre, dass es mir gelingt die Eltern so zu ( be-)stärken, dass sie an sich und ihre kleine Familie glauben, dass sie Vertrauen in sich und ihr Baby fassen und ich erleben darf, wie eine kleine Familie zusammenwächst und der Boden, auf dem sie stehen, immer fester wird. Dann habe ich meine Arbeit gut gemacht. Ich weiß, dass das, was wir Hebammen tun, etwas sinnvolles ist. Das gibt mir Kraft und Energie für meine Arbeit. Gerade in Zeiten, in denen uns nicht die Großfamilie den Rücken stärkt, ist es wichtig, eine Vertraute an der Seite zu haben, die einem wie ein Bergführer durch das neue Abenteuer begleitet.
Es gibt viele Momente, in der Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleitung, an die ich mich immer erinnern werde. Es ist ein Geschenk, dies mitzuerleben. Es ist mir wichtig, dass die Frauen und Familien spüren, dass die Kraft all dies zu meisten, aus ihnen kommt und sie stolz auf sich sein können- immer und ohne Ausnahme.
Ciao Alessandra, ein sehr interessantes Interview! Die Betreuung in Deutschland vor und nach der Geburt ist wirklich beneidenswert. Hier in Italien konnte ich von Dingen wie Rückbildungskurs nur träumen (Come, scusi, che cosa?) Es gab eine Hebammensprechstunde im Ort, zu der ich zweimal ging. Ansonsten hat man sich allein durchgewurschtelt und im Internet informiert. Man kann nur hoffen, dass dieser wichtige Beruf der Hebamme in Zukunft auch in Deutschland mehr Anerkennung und bessere Bezahlung findet.
Tanti saluti da Malnate! Anke
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Liebe Anke herzlichen Dank für dein Kommentar. Ja, es stimmt: in Italien haben wir leider eine sehr unstrukturiertes und altes System für die Post Partum Betreuung, frisch gebackene Mütter werden zu viel auf sich selbst gelassen und viele Themen werden nur von engagierten Hebammen gut gepflegt. Es schadet sehr, dass so eine gute Potential vom Staat schlecht bezahlt und verbessert wird!!!
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